Diskurs?

şa. „A reliable way to make people believe in falsehoods is frequent repetition, because familiarity is not easily distinguished from truth”. Daniel Kahneman skizziert in “Thinking, Fast and Slow” eine robuste und verlässliche Art eine Unwahrheit zu replizieren: die Wiederholung. Diese einfache, sprachpolitische Strategie war eines der Elemente im Nationalsozialismus, derer sich die Nazis zur strukturellen Verfolgung und Stigmatisierung von anderen (sei es physisch – anders oder politisch -anders) mit dem Ziele der Vernichtung bedienten. Insbesondere Juden* wurde nach dem verlorenen ersten Weltkrieg attestiert, Teil einer weltweiten Verschwörung gewesen zu sein, ein Zustand der offen mittels der “Judenfrage” gestellt wurde.

Eine Frage, die so absurd war, trotzdem jeden in der Gesellschaft dazu bemüssigte, eine Meinung hierzu zu formen. Es wurde nicht als eine Anmassung angesehen, über die Position von Menschen offen zu verhandeln. Nicht die Angreifer_innen, sondern die Angegriffenen, nicht die Täter_innen, sonder die Opfer, nicht die Mörder_innen, sondern die Ermordeten, nicht die Nazis, sondern die Juden* wurden überbeleuchtet und hinterfragt und sahen sich in die Rolle der Rechtfertigung gedrängt. Eine Überbeleuchtung, die die Zugehörigkeit zur Gesellschaft in Abrede stellte mit konsekutiver Entmenschlichung von Menschen mit der bewussten Reduktion auf die Biologie ohne Berücksichtigung eines sozialen Kontextes. Die bewusste Sprachrhetorik und die Dehumanisierung hatten existenzielle Folgen in Form der Shoah, als die initiale Lüge fliessend in der Wirklichkeit von unter anderem Gaskammern verankert wurde.

Die heutige Zeit ist sicherlich nicht mit der Shoah zu vergleichen, was einer Relativierung gleichkäme, jedoch sollten Skepsis und Vorsicht obsiegen, wenn ähnliche Muster in der Sprachrhetorik wiederzuerkennen sind. Es überrascht keineswegs, wenn auch heutzutage die Fixation auf die Biologie mittels Begriffen wie “Schutz von Lebensraum”, “Entartung” oder “Untermenschen” Verwendung finden und die fussende Ideologie offenbaren. Dass ein Diskurs oder eine Kommunikation hier unmöglich und abzulehnen sind liegen auf der Hand; eine punktuelle, inhaltliche Überschneidung zwischen einer Vernichtungsideologie und einer liberalen Demokratie existiert nicht. Die Würde und die Gleichheit eines Menschen stehen nicht zur Verhandlung, im Faschismus ist der Menschenhass jedoch schon eingerechnet, da sie den Anspruch einer homogenen (einheitlichen) völkischen Nation beansprucht (entweder durch Vernichtung oder Deportierung). In einer Debatte stehen somit keine zwei gleichberechtigten Positionen gegenüber, dies würde nämlich eine Gleichwertigkeit zwischen Antisemitismus und Nicht-Antisemitismus, Rassismus und Nicht-Rassismus, etc. suggerieren. Einen Diskurs mit Antidemokraten_innen zu suchen ist eine Lächerlichkeit, jedoch hat gerade die Vergötterung von Kommunikation, man könne in einer Demokratie über alles reden, und die Sensationslust dazu geführt, dass Sagbarkeitsregeln zunehmend verrückt und überschritten werden und extreme Ideologien in die Gesellschaft getragen werden.

Dies impliziert nicht, dass Kommunikation gemäss dem Gebote der Sachlichkeit abzulehnen wäre. Solange Normen des gepflegten Austausches eingehalten werden, die Sachebene berücksichtigt wird, keine Hierarchisierung von Menschen erfolgt, bestehen keine Bedenken.

Eine Diskussion über die eigene Position zuzulassen und zu verhandeln, die konstante Etikettierung von Schlagwörtern anzunehmen, Bekleidung sowie Essnormen rechtfertigen zu müssen, sich zwecks Solidaritätsabsprache genötigt zu fühlen permanente Bekundungen und Distanzierungen auszusenden, die tatsachensubstratbefreite Glosse zu erdulden, der Gesellschaft sich und das eigene sein erklären zu müssen, sind Zeugen dass der Raum des gesunden Diskurses nicht nur längst verlassen wurde, sondern auf eine krude Ebene verlagert wurde, auf der man nur mehr hinterher hoppelt. Eine Ebene, die Diskurs nicht zulässt und auch nicht erwünscht, und somit auch evident macht, dass die Angegriffenen diese Plattform der Diskurszerstörung nicht nur schnell verlassen sollten und sich der Debatte entziehen sollten, sondern dazu ermutigt werden sollten, die Angreifer_innen und deren Motive respektive Ideologie auszuleuchten.

Es fliessen hier sehr viele Strömungen intersektionell ineinander. Toni Morrison ging zwar dieses Jahr von uns, aber abschliessend kann wohl keine eine der Strömungen so präzise auf den Punkt bringen: “The very serious function of racism … is distraction. It keeps you from doing your work. It keeps you explaining, over and over again, your reason for being.“