Die Moschee der Zukunft

aa. Ich laufe durch die historische Basler Altstadt, durchs “Glaibasel”. Passanten unterhalten sich entlang der Gasse. Gleich neben einer Beiz befindet sich eine Tür, ich öffne sie, ziehe meine Schuhe aus – was sonst, denn da steht “Schuhe bitte hier ausziehen” bevor ich auf den Teppich treten kann. Ich höre ein paar ältere Männer reden, trinken Tee am Eingang, ich begrüsse sie, laufe hinunter in die Frauenabteilung, es ist niemand da, ein schlichter leerer Raum mit einem Lavabo, zwei Spiegeln und vielen weisen Sprüchen auf veralteten DINA4-Blättern an Wänden und Türen – es herrscht Stille. Ich suche mir “meinen” Gebetsteppich mit den gelb-grünen Mustern, auf dem ich gerne bete und welcher mich während einer Phase meines Studiums durch dick und dünn begleitete. Gleich ertönt der Ruf zum Gebet, via Audiobox höre ich, wie das Gebet beginnt. Ruhe verbreitet sich in mir in diesem Kleinbasler Gebetsraum.

Rund 240 Moscheen und Gebetsräume zählt die Schweiz. Die erste Moschee in der Schweiz gibt es seit 1963. Das sind sage und schreibe 55 Jahre Moscheen in der Schweiz!

Die Moschee ist ein Ort, den nur wenige in der Stadt kennen. Meistens sind sie für Aussenstehende nicht erkennbar, da allein der Bau nicht auf eine Moschee, wie man sie aus muslimischen Ländern kennt, hindeutet. Gelegentlich liegen Moscheen auch in Gewerbe- und Industriegebieten und befinden sich daher fern vom öffentlichen Leben.

Charakteristisch für Moscheen sind traditionelle Teppiche aus Herkunftsländern, Verzierungen an Wänden mit arabischen Inschriften, unzählige Korane und Bücher mit tausend Weisheiten. Moschee heisst für mich auch ein schlichter Gebetsraum ohne viel Schnickschnack, viel Ruhe – und manchmal auch zu viel Kindergeschrei.

Die Moschee ist für mich ein Rückzugsort, mein kleines Zuhause, egal in welcher Stadt, in welchem Land. Im Koran steht, dass die Moscheen beziehungsweise die Gebetsstätten Gott gehören. Einer Überlieferung des Propheten Muhammad zufolge sind sie die liebsten Orte Gottes.

Moscheen in der Schweiz sind Errungenschaften der ersten Generation von muslimischen MigrantInnen, welche meistens mit Spenden und Mitgliederbeiträgen unterhalten werden. Ein grosses Ehrenamt also. Sie sind ein Geschenk an die zweite, dritte, vierte und an die zukünftige Generation. Moscheen wurden vermutlich vor allem aufgrund des Bedürfnisses erbaut, um Männern einen Ort zu bieten, an welchem sie das für sie obligatorische Freitagsgebet vollrichten können. Neben dem Freitagsgebet kommt das Totengebet hinzu, welches verrichtet wird, wenn jemand in der Gemeinde verstorben ist. Es gibt viele weitere Bedürfnisse, wie zum Beispiel das Verrichten der täglichen fünf Gebete, das Wissen über die eigene Religion den eigenen Kindern weitergeben zu wollen oder weil es eine fromme Tat ist, Moscheen zu errichten.

Moscheen sind nicht nur Gebets- und religiöse Bildungsstätte. Moscheen weisen vor allem in nicht-muslimischen Ländern vielfältige Funktionen aus: Sie sind Orte der sozialen Begegnung, Aufrechterhaltung von Herkunftskultur und Tradition. Nicht selten befindet sich in der Moschee eine Teestube, Kantine, ein Männerfriseur oder nebenan auch ein kleiner Kiosk.

So sieht meine Moschee von heute aus. Die Frage, die ich mir nun stelle, ist: Wie stelle ich mir die Moschee von morgen vor? Meine Vision der Moschee der Zukunft ist:

Erstens, ein Ort, an welchem weiterhin Wissen und Frömmigkeit erworben wird – dies nicht nur in einer Fremdsprache, sondern auch in der Landessprache. Angesichts der Tatsache, dass sich die muslimische Gesellschaft aus den unterschiedlichsten Regionen der Erde zusammensetzt, wird eine gemeinsame Religionssprache mehr denn je bedeutsamer sein.

Dies ist und bleibt aber eine Herausforderung: Sprache und Religion hängen eng zusammen, da Religion über Generationen hinweg über die Sprache weitergegeben wurde. Die Grundliteratur zum Islam fusst hauptsächlich auf vielen arabischen, türkischen und persischen Quellen. Damit die deutsche Sprache den ihr gebührenden Platz in der Moschee einräumt, ist ein gewisses Grundfundament dafür notwendig. Ein anderes Problem ist, dass es in der Schweiz keine Ausbildungsstätte gibt, in der man die Ausbildung zum Imam absolvieren kann.

Zweitens, ein Ort für Diskussionen. Ein Ort an dem Jugendliche nicht nur zuhören, sondern auch miteinander diskutieren, Probleme ansprechen und keine Angst verspüren, Dinge zu hinterfragen. Denn zu fragen und hinterfragen ist der Schlüssel zum besseren Verstehen. “Wer nicht fragt, bleibt dumm” sollte die Prämisse lauten. Die Religion setzt voraus, dass man sich mit der eigenen Überzeugung auseinandersetzt.

Drittens, ein Rückzugsort für alle Muslime. Ein Ort, an dem ich mich weiterhin wohlfühle, egal welcher muslimischen Glaubensrichtung ich angehöre, ob religiös oder weniger religiös. Die Moschee ist Gottes Haus auf Erden sagte der Prophet Muhammad. So sollte sich dort jeder wohlfühlen, ungeachtet ihrer persönlichen Überzeugung und ihres Lebensstils. Moscheen sind Orte der Gemeinsamkeit.

So viel zur Moschee der Zukunft. Ich streiche mir amen-sagend aufs Gesicht, steige die Treppen hoch, verabschiede mich von den alten Männern in der kleinen Teestube, ziehe wieder meine Schuhe an – bloss nicht auf dem Teppich anziehen! –, schliesse die Tür, begebe mich durch die Gassen und steige ins Tram.